Montag, 1. Juni 2009
Bundespräsident Horst Köhler – warum nicht direkt vom Volk gewählt
Am 23.März wird Horst Köhler im ersten Wahlgang von der Bundesversammlung mit der absoluten Mehrheit von 613 Stimmen für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Gewählt wurde er mit der Unterstützung durch das bürgerliche Lager von der CDU, CSU, FDP, Freie Wähler und einer grünen Stimme. Die Wahl hinterließ eine sehr enttäuschte Gesine Schwan, die sich als SPD Kandidatin sehr für ihre Kandidatur engagiert hatte. Der Linksparteikandidat Peter Sodann war indes von vornherein chancenlos Mehrheiten in der Bundesversammlung auf sich vereinen zu können. Insgesamt gab es in den Medien und in der Bevölkerung durchweg positive Resonanzen auf die Wiederwahl von Horst Köhler. Hatte dieser als ausgewiesener Wirtschaftfachmann und ehemaliger Direktor des Internationalen Währungsfonds IWF in Washington gerade in der aktuellen Wirtschaftskrise an Profil gewonnen und zugleich Bürgernähe gezeigt. Häufig nimmt er Stellung zu aktuellen Fragen und eckt dabei regelmäßig bei Politikern aller Parteien an. Sich einmischen und Stellung zu nehmen zu gesellschaftliche Entwicklungen oder aktuell zu der Finanzmarktkrise ist sein Anspruch, trotz oder wegen seiner verfassungsmäßig eingeschränkten Rolle als Bundespräsident. Die Aufgabenstellung des Bundespräsidenten ist hierbei eindeutig im GG geregelt. Bei dem Amt handelt es sich um einen „parlamentarischen“ Präsidenten, der hauptsächlich der Repräsentation für den Staat dient. Ebenso ist laut GG auch eine Direktwahl durch das Volk nicht möglich, vielmehr wird er von der Bundesversammlung für den Zeitraum von 5 Jahren gewählt. Nun hat selbst Horst Köhler laut über eine Direktwahl des Amtes durch das Wahlvolk nachgedacht, um dem Bürger mehr Einfluss zu geben und der Demokratiemüdigkeit entgegenzutreten. Aber dafür müsste das Grundgesetz geändert werden. Es gibt mittlerweile viele Stimmen, die sich mehr Basisdemokratie im Sinne von Volksentscheidungen und Direktwahlen vorstellen können. Hierfür müsste es jedoch erstmal parlamentarische Mehrheiten geben und eine Grundgesetzänderung, die dann nicht mehr im Sinne der „Gründungsväter“ wäre. Die verfassungsrechtliche Stellung des Bundespräsidenten und seine eingeschränkten Kompetenzen sind auf dem Hintergrund der historischen Erfahrungen der Weimarer Republik zu sehen. Im GG ist klar definiert, dass alle Handlungen des Bundespräsidenten der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder Bundesminister bedürfen und damit übernehmen diese die politische Verantwortung gegenüber dem Bundestag. In der Weimarer Republik wurde der Reichspräsident direkt vom Volk auf 7 Jahre gewählt und war mit weitreichenden Kompetenzen versehen. Die lange Amtszeit und die Kompetenzen bei der Auflösung der Reichstage, der Ernennung des Reichskanzlers und bei Notverordnungen gaben dem Reichspräsidenten eine erhebliche Machtfülle. In der demokratischen Form war er praktisch eine Fortsetzung der Monarchie als „Ersatzkaiser“. Zum Ende der Weimarer Republik regierte der Reichpräsident Hindenburg wie ein Diktator, von Parlament und Volk unkontrolliert. Letztendlich hat er zur Auflösung der ersten deutschen Demokratie mit beigetragen. Die „Väter“ des GG hatten genau diese historischen Erfahrungen im Sinn, als sie das GG ausformulierten. Es ist nun zu fragen, ob derartige Überlegungen auch noch heute eine Rolle spielen, wo wir doch in einer gefestigten und international eingebundenen Demokratie leben? Sollten wir nicht doch mehr Demokratie wagen, z.B. indem wir den Bundespräsident doch durch das Volk direkt wählen? Zumindestens Verfassungsexperten warnen davor. Hiernach besteht die Auffassung, dass bei einer direkten Wahl des Bundespräsidenten, dieser als überparteiliche Instanz gesehen werden könnte. Die Folge könnte dann sein, dass ihm hierdurch eine höhere demokratischen Legitimation –als der vom Bundestag gewählte Bundeskanzler- zugebilligt wird. Hier besteht dann die Gefahr eines permanenten Verfassungskonfliktes. Zudem könnte eine Direktwahl die Tendenz entwickeln, die zu einer Erweiterung der Kompetenzen des Bundespräsidenten führen könnten. Auf dem Hintergrund der Erfahrungen in der Weimarer Republik wäre eine solche Dynamik sehr kritisch. Nun ist die deutsche Sicht sicherlich immer auf dem Hintergrund der Erfahrungen der NS Zeit zu sehen und das ist auch gut so. Deswegen ist es auch immer schwierig an solche Themen unvoreingenommen heranzugehen, stets unter dem Motto „ Wehret den Anfängen“. Bezogen auf das Amt des Bundespräsidenten wär es aber doch interessant zu schauen, welche verfassungsgemäße Regel andere Länder für sich getroffen haben.
Unsere Nachbarn in Österreich zu Beispiel wählen ihren Bundespräsidenten direkt für die Dauer von 6 Jahren. Auch hier ist das Amt rein repräsentativ. In der Schweiz hingegen, gibt es die Institution eines hervorgehobenen Staatsoberhauptes nicht. Der Bundesvorsitzende ist zugleich Bundespräsident. In Polen wird der Staatpräsident direkt durch das Volk direkt gewählt und hat dort einen starken Einfluss, vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik, sowie bei Gesetzesinitiativen. Die Italiener haben einen Staatspräsidenten, der mir weitaus mehr Kompetenzen als der deutsche Bundespräsident ausgestattet ist. In seiner Funktion kann dieser direkt Einfluss auf die Regierungsbildung und Parlamentsauflösung nehmen, zudem ernennt er den Ministerpräsidenten. Frankreich und die USA haben ein präsidentielles System. Der Präsident in Frankreich ist Chef der Exekutive, leitet die Kabinettssitzungen und Regierungsgeschäfte. Seine Kompetenzen sind zudem die Außen- und Sicherheitspolitik und der ist der Oberbefehlshaber der Streitkräfte. In den USA wird der Präsident durch die Wahl der Wahlmänner (Electoral College) für 4Jahre gewählt und vereinigt die Funktionen des Staatoberhauptes und Regierungschefs auf sich. Zugleich ist er der Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Soweit der Vergleich mit den politischen Systemen in anderen Ländern, allerdings nur sehr verkürzt. Letztendlich zeigen die Beispiele das Demokratie auch formal und normativ in unterschiedlicher Gewichtung und Ausprägung gut funktioniert. Das GG wurde aufgrund der historischen deutschen Erfahrungen und Bedingungen so gestaltet, wie wir es kennen und hat uns eine stabile demokratische Ordnung geschaffen, die so von der großen Mehrheit der Bundesbürger verinnerlicht ist und getragen wird. Es gibt aber auch eine Stimmung in der Bevölkerung, die in Richtung basisdemokratischer Elemente im Sinne von Bürgerentscheidungen, Volksentscheide und Direktwahlen geht. In einer Situation, wo die sogenannten Volksparteien immer mehr an Zuspruch verlieren und sich die Parteienlandschaft immer weiter auffächert und zugleich der Einzelne immer mehr das Gefühl hat keinen Einfluss auf den politischen Willensprozess haben zu können, erscheinen Instrumente der politischen Mitbestimmung ein geeignetes Mittel gegen Politikmüdigkeit und Vertrauensverlust. Zudem könnte so eine höhere Identifikation mit dem System hergestellt werden. Gerade auf dem Hintergrund der derzeitigen Krise sicherlich nicht unwesentlich. Gleichwohl sind die Bedenken der Verfassungsexperten nicht leichtfertig zu übergehen. Bezogen auf das Amt des Bundespräsident, seiner Direktwahl durch das Wahlvolk, steht zu befürchten, dass hierüber eine Politisierung des Amtes erfolgen könnte, verbunden mit einem Antiparteieneffekt und einer Abwendung von der repräsentativen Demokratie. Das klingt dramatisch gedacht, zeigt aber eher, dass ein Drehen an den Grundlagen des GG genau überlegt sein will. Solche Themen zeigen einmal mehr, wie Komplex Verfassungsfragen sind und wie wenig sie für oberflächliche und kurzfristige Betrachtungen geeignet sind.
Eike Asche
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